Den Nachbarn mit der Heckenschere jagen, wenn die Äste des Apfelbaums wieder über den Zaun ragen. Oder den unfreundlichen Verkäufer in der Eisdiele in seine eigene Kühlkammer sperren. Der Tatort direkt vor der Haustür ganz ohne tatsächliches Blutvergießen – das geht im Regionalkrimi.

Spannungsliteratur macht laut Börsenblatt etwa ein Viertel des Umsatzes in der Belletristik aus. Ein Teil des vielseitigen Genres ist der Regionalkrimi. Dabei geht es nicht nur um fesselnde Cliffhanger und unerwartete Verbrechen, sondern vor allem um die (namensgebende) Region, ihre Menschen, Bräuche und Sprache.

Was ist ein Regionalkrimi?

Der Regionalkrimi zählt als ein Subgenre des Kriminalromans. Wie im Namen schon unmissverständlich deutlich wird, siedelt sich die Handlung in einer bestimmten Region oder Stadt an. So gibt es solche Heimatkrimis aus dem Allgäu oder von der Nordsee genauso wie Tatorte in München oder Hamburg. Ausschlaggebend sind der Handlungsort, seine heimatlichen Klischees und kulturellen Besonderheiten.

Das Subgenre existiert seit den 80er Jahren. Auf den ersten Ermittler folgten Tausende weitere Kommissare, Polizisten und Hobby-Detektive, die Fälle aus ihrem regionalen Umfeld lösen. Dabei muss der Tatort nicht immer in Großstädten oder Urlaubsregionen liegen. (Komisch, dass viele Leser ausgerechnet vom Mord am Strand lesen wollen, an dem sie sich selbst gerade sonnen.)

Genauso gibt es inzwischen Regionalkrimis für kleinere Orte wie beispielsweise mit der Krimi-Minnie von Monika Nebl, die in Wasserburg am Inn ermittelt.

Neben spektakulären Fällen, komplexen Figuren und spannenden Wendungen sind Regionalkrimis gewürzt mit lokalen Bezügen. Solche Bücher richten sich vor allem an Leser, die beschriebene Orte, Gepflogenheiten und Eigenarten der Region kennen (und damit von einer düsteren Seite kennenlernen).

Zutaten für deinen Regionalkrimi

Kriminalromane sind für mich ein Fach, an das ich mich bisher nicht ran getraut habe. Man muss sie ja von hinten schreiben, habe ich gedacht, ich kenne mich mit Polizeiarbeit nicht aus, habe noch nie ausufernde Kämpfe mit Tätern beschrieben und auch was den Spannungsaufbau und drastische Cliffhanger betrifft bin ich eben kein Fitzek.

Aber es klingt doch verlockend, deinen ganzen Frust auf dein Umfeld rauszulassen, indem du den unhöflichen Ladenbesitzer um die Ecke tatsächlich um die Ecke bringst oder den Gemeinderat, der deinen Bauantrag abgelehnt hat, auf deinem Grundstück verbuddelst – natürlich rein fiktiv und nicht mit ihren echten Namen.

Und obwohl natürlich alles frei erfunden ist, gibt es doch das ein oder andere, worauf man als Regionalkrimi-Autor achten sollte, um nicht selbst zum Opfer verärgerter Leser zu werden.

Natürlich gibt es kein Rezept für den Regionalkrimi, so wie es auch kein Rezept für den Bestseller gibt. Aber ein paar Zutaten gibt es, die üblicherweise in diesem Subgenre vertreten sind.

Eine ordentliche Portion Heimat

„Schreibe über etwas, das du kennst“, lautet ein vielgehörter Tipp und das gilt genauso für den Regionalkrimi: Schreibe über eine Region, die du kennst. Natürlich musst du nicht unbedingt direkt dort wohnen. Eine erste Reise mit Google Maps und ein tatsächlicher Ausflug können schon hilfreich sein. Wenn du die Region bisher allerdings nicht kennst, solltest du so viel wie möglich erleben. Nicht nur Sehenswürdigkeiten und die Landschaft, sondern auch die Menschen, Brauchtümer, Geräusche und Gerüche.

Denn Leser wollen nicht nur eine spannende Handlung, sondern auch die Schauplätze und dortigen Besonderheiten deines Regionalkrimis wiedererkennen. Ja, es gibt auch solche, die beschriebene Orte gezielt ablaufen oder selbst dort leben und wissen, ob deine Beschreibung zutrifft. Ungenaue oder sogar falsche Darstellungen können die Todesursache deines Regionalkrimis sein.

Das bedeutet allerdings nicht, dass du jeden Straßennamen kennen und alle Abzweigungen beschreiben musst. Gerade Leser, die den Ort kaum oder vielleicht gar nicht kennen, verlierst du bei zu detaillierten Wegbeschreibungen. Du solltest allerdings nicht über den herrlichen Blick vom Spielplatz aus auf den Burgturm schreiben, wenn die Sicht tatsächlich durch eine Wand aus Häusern versperrt ist oder die Kirchturmuhr alle Viertelstunde läuten lassen, wenn die Glocke schon seit Jahrzehnten stumm geblieben ist.

Um solche Ungenauigkeiten und einen eventuellen Angriff deiner Leser zu vermeiden, kannst du deinen Regionalkrimi auch an einen fiktiven Ort ansiedeln. Eine grobe Eingrenzung der Gegend mit ihren üblichen Landschaften, gängigen Brauchtümern und unverwechselbaren Sprache reicht. Die Städte und Dörfer, in denen deine Handlung spielt, können dagegen frei erfunden sein, solang sie sich an die Gepflogenheiten anpassen.

Franz Eberhofer ermittelt beispielsweise auch im fiktiven niederbayerischen Dorf Niederkaltenkirchen. Mit einer erfundenen Stadt in einer realen Region vermeidest du, dass sich möglicherweise einzelne Personen wiederzuerkennen glauben, sich die Bewohner deiner von Mordfällen geplagten Stadt unwohl fühlen oder regionale Ungenauigkeiten mit negativen Rezensionen bestraft werden.

Eine Prise Recherche

Hat die Löwenfigur auf dem Brunnen das Maul aufgerissen oder bleckt nur die Zähne? Und ist der Marktplatz tatsächlich mit Tulpen geschmückt oder waren es Margeriten? Egal, ob du in dem Ort, in dem dein Krimi angesiedelt ist, selbst lebst oder nicht – ein bisschen Recherche gehört dazu.

Die Website des Ortes oder Museen liefern erste Informationen zu historischen Fakten und aktuellen Daten. Sie weisen auf Veranstaltungen und besondere Projekte hin, über die du dich auch in Presseberichten oder im Gespräch mit Einheimischen informieren kannst. Frag sie nach Eigenheiten der Region oder des Ortes, die in einer dort angesiedelten Geschichte nicht fehlen dürfen.

Welche geschichtlichen Ereignisse prägen den Ort und welche aktuellen Geschehnisse sorgen für Gesprächsstoff an der Metzgereitheke oder beim Bäcker? Lass solche Besonderheiten in deine Handlung einfließen, siedle einige Szenen an besonderen Gebäuden oder Landschaften an und denk an Veranstaltungen, die zeitgleich mit den Ereignissen in deinem Krimi stattfinden. Gibt es Mittelaltermärkte, Freilufttheater oder ein Herbstfest? Überleg dir, wieso dein Krimi nur genau an diesem Ort stattfinden kann. Finde eine Verknüpfung zwischen Region und Handlung.

Aber aufgepasst: Auch wenn Leser gern die beschriebenen Orte wiedererkennen, solltest du Verknüpfungen zu realen Personen und beispielsweise Privathäusern vermeiden. Informiere dich vorab, ob es vielleicht einen Bewohner gibt, der genauso heißt wie dein Mörder? Oder gibt es die Hausnummer in der beschriebenen Straße tatsächlich, wo er seine Opfer einsperrt und quält? Vielleicht sollte der Mord auch nicht auf dem beliebtesten Spielplatz passieren.

Derartige Schwierigkeiten lassen sich auch durch einen fiktiven Handlungsort vermeiden. Wird allerdings eine tatsächliche Stadt dein Tatort, kommst du um eine gezielte und ausführliche Recherche nicht herum.

Eine Messerspitze Dialekt

Wie für Romane gilt auch im Regionalkrimi besonders: Wie reden die Figuren? Dass Akademiker eine andere Sprache haben als Jugendliche ist klar. Genauso dass ein Bayer anders spricht als ein Berliner. Ein Reiz des Regionalkrimis ist, diese Dialekte, Brauchtümer und regionalen Eigenheiten miteinzufangen.

In deinem bayerischen Krimi müssen die Figuren natürlich nicht durchgehend mit Lederhosen und Dirndl herumlaufen und in tiefstem Bayerisch reden. Allein schon deshalb, weil es selbst für Einheimische, die den Dialekt beherrschen, anstrengend zu lesen sein kann. Und die Aussprachen und Schreibweisen einiger Wörter können sich schon nach wenigen Kilometern unterscheiden – allein in meinem Umfeld gibt es für „Milch“ die Bezeichnung „Muich“ genauso wie „Mille“.

In einem Regionalkrimi mit Mundart reichen oft schon einzelne Wörter. Der bayerische Ermittler begrüßt seine Kollegen mit einem „Servus“ statt mit einem „Moin“ und isst „Schwammerl“ zu seinem Jägerschnitzel statt „Pilze“. Genauso kann auch ein zugezogener Ermittler, der den Dialekt nicht beherrscht, regelmäßig mit Begriffen und Eigenarten konfrontiert werden.

Auch regionaltypische Bezeichnungen, die du in deiner Recherche herausfindest, bringen deine Geschichte näher an die Leser, die eben diese kennen. In Bayern zum Beispiel auch ganz typisch: Hofnamen statt Nachnamen. So kann ein Thomas Schneider genauso auch „Wimmer“ gerufen werden, wenn er auf dem Wimmer-Hof wohnt. Oder man geht nicht ins „Casa Romantica“ sondern „zu Emilio“, wenn man eine Pizza möchte. Finde raus, wie an dem Ort, an dem dein Regionalkrimi spielt, gesprochen wird. Hör zu und beobachte.

Lerne von den Besten

Inzwischen gibt es zahlreiche Regional-Krimis, die dir als Vorlage helfen können, deine eigene Geschichte zu schreiben. Es gibt alles von humorvoll-gemütlich bis düster, von Bayern bis Nordsee, von Amateur-Ermittler bis Profi-Detektive.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, in welchem Maß ein Regionalkrimi sich aus Handlung, Figuren und Region zusammenspinnt, hilft vermutlich das Lesen von eben solchen am besten. Hier findest du eine Auswahl an Regional-Krimi-Bestsellern.*

Vielleicht gibt es ja auch Beispiele aus deiner Region? Selbst wenn es bereits Regional-Krimi-Konkurrenz gibt, kannst du mit deinen eigenen Ideen und Wahrnehmungen einen neuen Blick auf den Ort erzielen. Es kann auch zwei Ermittler an einem Ort geben. Dann ähneln sich zwar die Landschaftsbilder und Gepflogenheiten, werden aber durch eigene Figuren und einen anderen Blickwinkel unterschiedlich wahrgenommen und gezeichnet.

Mein Regionalkrimi

Nach meinem ersten Krimi-Versuch habe ich gemerkt, dass ich – abgesehen davon, dass das Genre eine riesige Herausforderung für mich ist – diese Anonymität durch einen fiktiven Ort für mich unpassend finde.

Üblicherweise schreibe ich Fantasy- und Science-Fiction-Romane. Dystopien, die in einer uns lange nicht mehr bekannten Welt spielen. Wenn ich allerdings über „Reales“ schreibe, das so oder so ähnlich tatsächlich passieren könnte, dann möchte ich das auch – wo nötig – an einem realen Ort ansiedeln. So gibt es Geschichten am Chiemsee oder an meiner ehemaligen Schule. Orte, die ich kenne, mit denen ich etwas verbinde.

Der Krimi-Versuch allerdings spielt an einem fiktiven Ort. Wobei ich versucht habe, grobe Zeichnungen der Schauplätze zu gestalten. (Ich kann übrigens nicht zeichnen.) Trotzdem fehlt mir die Nähe zur Umgebung und auch zu meinen Figuren. Als ich mich gefragt habe, wie ich diese Distanz überwinden kann. Üblicherweise rede ich mit ihnen, führe Interviews oder sehe ihnen zu, wie sie auf gewisse Situationen reagieren.

Schließlich ist der Gedanke gereift, die Handlung in meine alte Heimat zu verlegen. Als Lokaljournalistin und Mitglied mehrerer Gemeinden kenne ich den Ort aus unterschiedlichsten Blickwinkeln, weiß worüber im Gemeinderat gestritten wird und habe mit interessanten Menschen über ihr Schaffen gesprochen.

Und kaum habe ich die Handlung in meine Heimat verlegt, sprudeln die Ideen für Mordmotive, Schauplätze und Themen gerade so, die ich in Regional-Krimis verarbeiten kann. Vielleicht gibt es wie von ehemaligen Kollegen damals angestoßen irgendwann tatsächlich eine Leiche im „blauen Mozzarella“ – ein ortseigenes Phänomen vor etlichen Jahren, das der örtlichen Molkerei noch heute humorvolle Sticheleien einbringt.

Dein Regionalkrimi

Hast du auch Lust, in deiner Nachbarschaft Grauen zu verbreiten? Hast du noch weitere Tipps, was in einem Regionalkrimi auf keinen Fall fehlen darf? Lass mich gern in den Kommentaren wissen, ob du dich schon einmal an einem Regionalkrimi ausprobiert hast. Oder schreckst du noch davor zurück und wenn ja warum?

Mehr zum Thema Krimi findest du hier.


*(in bezahlter Zusammenarbeit mit Audible)